Kapitel 2: Ich könnte dich besser behandeln
Er betonte das Wort „Menschenverschwendung“ absichtlich tief und mit einem Hauch von Provokation. Der Mann näherte sich ihr zielstrebig, seine durchdringend kalte Aura wurde noch dichter und stärker.
Emma bewegte sich unbehaglich, und nach einem Moment des Unglaubens glaubte sie seinen Worten. Schließlich war Liams Villa für Personen außerhalb seiner Familie oder besondere Gäste wie sie nicht zugänglich.
„Er ist dein Cousin. Bitte rede nicht so über ihn.“
Vermutlich hatte auch Liam Schwierigkeiten in seiner Familie. Emma empfand Mitgefühl. Auch wenn die Arnoults gesellschaftlich zur Oberschicht gehörten, hatte sie Verständnis für Liams Situation. Er musste in den letzten Jahren schwere Zeiten durchgemacht haben.
Liams braune Augen blitzten überrascht auf. Er hatte nicht erwartet, dass diese hässliche Frau solche Worte sagen würde.
Er musste sie erneut ansehen. Die zerzausten Haare, die schwarze Brille, die schmutzigen, langen Baumwollkleider und der Pony auf ihrer Stirn verdeckten fast ihre Augen. Ihr hageres Gesicht hatte sogar ein paar kleine Flecken. Schon der bloße Anblick war ekelhaft.
Er hatte gehört, seine Verlobte solle so schön sein wie eine blühende Rose. Es war unmöglich, dass diese hässliche Frau seine angebliche Verlobte war.
Doch den Arnoults war es egal, ob die Frau, die ihn heiratete, hässlich oder schön war. Hauptsache, sie konnte einen Erben zeugen. Selbst wenn sie einen anderen auswählen müssten, wäre es ihnen egal.
Außerdem hatte Liam nicht vor, sie wie seine Frau zu behandeln. Er brauchte nur eine einfache und schnelle Abtrennung.
Ein dunkler Schimmer blitzte in seinen Augen auf, Liam streckte die Hand aus und schob Emma aufs Bett. In seinem Tonfall lag unverhohlene Verachtung und Bosheit. „Es gibt niemanden sonst. Du brauchst dich nicht zu verstellen. So wie du aussiehst, bist du wahrscheinlich noch Jungfrau. Ich könnte dich viel besser behandeln als diesen Krüppel!“
Nachdem er zu Ende gesprochen hatte, streckte er seine Hand direkt nach ihr aus. Er war kurz davor, ihre Taille zu berühren. Fast.
Schlagen!
„Hau ab!“ Emma benutzte all ihre Kraft, um ihm ins Gesicht zu schlagen. „Glaub nicht, dass alle so schmutzig sind wie du. Du hast Glück, dass dein Cousin noch nicht da ist. Geh sofort, und ich tue so, als wäre hier nichts passiert. Oder willst du lieber noch mal eine Ohrfeige bekommen?“
Obwohl sie versuchte, ruhig zu bleiben, verrieten ihre zitternden Hände sie. Sie umklammerte die Laken unter sich und stieß einen stoßweisen Atemzug aus. Was zum Teufel hatte sie da gerade gesehen?
Sie hatte sich vorgestellt, wie hässlich Liam auf dem Weg hierher sein würde, wie entstellt und behindert er wirklich war. Doch so etwas hätte sie nie erwartet.
Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, zu ihm aufzusehen. „Du schaffst das, Emma.“ Sie machte sich Mut. „Du schaffst das.“
Liams Blick war mürrisch und er strahlte eine bittere Kälte aus. „Keine Frau hat es je gewagt, mich zu schlagen.“
„Betrachten Sie dies als Ihr erstes Mal“, sagte Emma mit zittriger Stimme.
Durch den Kampf war ihre Brille heruntergefallen und gab den Blick auf unerwartet klare und präzise Augen frei. Ihre zitternden Wimpern zeigten die Anspannung und Angst ihrer Besitzerin. „K-komm nicht näher!“
Als Liam das sah, hielt er plötzlich inne und für einen Moment begann er, sich ein wenig weichherzig zu fühlen.
Er strich sein Hemd glatt und warf ihr einen kalten Blick zu. „Du kannst hier weiter auf diesen ‚Mistkerl‘ warten.“
Knall!
Erst als die Tür näher war, entspannten sich Emmas angespannte Nerven ein wenig.
Draußen vor der Tür.
Als der Leibwächter das Schlafzimmer des Herrn erreichen wollte, sah er den roten Fleck auf Liams Gesicht. Dank seiner blassen Haut war er unglaublich gut zu erkennen. Selbst ein Blinder hätte ihn schon aus einer Meile Entfernung erkannt. Er erstarrte kurz, bevor er sagte: „Junger Herr … Ihr Gesicht …“
Liam berührte sein Gesicht und sagte unverblümt: „Bin gegen die Tür gerannt.“
Auf den Türen waren fünf Fingerabdrücke?
Obwohl seine Geschichte zweifelhaft erschien, wagte der Leibwächter nicht, weiter nachzufragen.
Stattdessen überreichte er ihr respektvoll einen Ordner mit den Worten: „Dies sind die persönlichen Daten der jungen Dame.“
Liam öffnete den Ordner und sah den Namen darauf: Emma Smith.
Interessant. Diese hässliche Frau war höllisch kalt, doch die Bedeutung ihres Namens war leicht. Wie ironisch!
Ihre leibliche Mutter war sogar noch interessanter. Sie behandelte ihren Stiefsohn und ihre Stieftochter wie kostbare Edelsteine, während sie zu ihrer leiblichen Tochter grausam war. Verabscheuungswürdig.
Er blätterte durch das Dokument, runzelte die Stirn und fragte den Leibwächter: „Ist sie wirklich so eine Idiotin?“
Der Leibwächter nickte.
„Überprüfen Sie es noch einmal.“
Emma sprach klar und deutlich. Außerdem hatte Liam noch nie einen Idioten erlebt, der sich in einer solchen Situation so vehement gegen einen Mann zur Wehr setzen konnte.
Bei diesem Gedanken verlor er die Fassung und drückte dem Leibwächter die Akte in die Hand. „Wenn Sie mir keine genauen Informationen geben können, brauchen Sie sich gar nicht erst zu mir zu begeben!“